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Overthinking - Fluch oder Segen?

Aktualisiert: 20. März 2019


 

Wieder mal ein langer Tag. Zu früh aufgestanden und doch zu spät zur Arbeit gekommen. Der Chef motzt dich auch noch an und du machst dir die ersten Gedanken, dass du für heute bei ihm schon unten durch bist. Arbeitstag ist anstrengend, die Mitarbeiter lästern und du fragst dich, ob auch über dich negativ gesprochen wird.


Feierabend. Endlich heim. Der Verkehr ist wieder mal zum verrückt werden. Dabei wolltest Du doch noch einkaufen gehen. Du machst Dir schon die nächsten Gedanken, ob die leckeren Avocados, welche im Angebot sind und du für deinen Abendsnack kaufen wolltest, noch da sind. Deinen Freunden musstest Du den heutigen Kinofilm bereits absagen, da dein Chef dich zur Überstunden gezwungen hat. „Ob meine Freunde mir böse sind, dass ich abgesagt habe? Ich hoffe sie verstehen es“, pocht es durch deinen Kopf.


Und auch am Abend, du schmeißt dich tot müde ins Bett und könntest direkt die Augen schließen und einschlafen. Doch im Feedback Gespräch mit deinem Team hast du heute leichte Kritik über deine Arbeit bekommen. Du grübelst Stunden darüber nach, ob deine Arbeit wirklich so viele Mängel hat. Und zerbrichst dir abermals den Kopf, damit so etwas bloß nicht wieder vorkommt.


„Eine fiese Schmach uns zu quälen“


Aus einer Mücke einen Elefanten machen, alles und jeden überinterpretieren oder einfach nur zu viel nachdenken. Das alles sind Punkte, die dem Ausdruck „Overthinking“ zugeschrieben werden können. Aber was ist dieses Overthinking überhaupt? Ist das alles nur ein Streich, den uns unser Gehirn vorspielt? Eine fiese Schmach uns zu quälen? Oder ist das Ganze vielleicht gar nicht mal so schlimm und das zu viele Denken hat auch seine schönen Seiten?


Der Begriff „Overthinking“ kommt logischerweise aus dem Englischen und wird meist mit „zu viel nachdenken“ übersetzt. Wenn man den Begriff dann noch in eine Suchmaschine eingibt, wird man nur so überschlagen mit „Warum Overthinking dich zerstört“ oder „5 Wege, um mit dem Overthinking aufzuhören“. Klingt auf den ersten Eindruck nicht so geil.


Dieses Overthinking kann dann ja nichts Gutes sein. Wenn selbst renommierte Erfolgscoach davon abraten und zahlreiche Blogs diesem Begriff nichts Gutes aneignen, dann kann das doch auch für mich nicht nützlich sein. Aber ist das wirklich so?

Ich möchte im Folgenden, als bekennender Overthinker, einige Aspekte beleuchten und sowohl auf die negativen als auch auf die, nicht zu unterschätzenden, positiven Aspekte eingehen.


„Ein Orkan aus Gedanken, der uns förmlich wegbläst“


Wer kennt das Szenario nicht: Eine wichtige Entscheidung steht kurz bevor. Im sofortigen Impuls meinen wir, die richtige Entscheidung parat zu haben. Doch wir prügeln förmlich solange auf diesen Gedanken ein bis wir sie platt gedacht haben und von ihr nur noch ein kleines „Es ist zu riskant…“ oder ein „Mach‘ das lieber nicht!“ übrig bleibt. In unserer Fantasie malen wir uns eine Welt aus, in welcher wir jedes noch so negative (und vor allem unrealistische) Szenario abspielen, ganz gleich, wie weit es vor der momentanen Situation abweicht. In unserem Kopf herrscht eine 5-spurige Autobahn. Und es fühlt sich an als sei dauerhafter Berufsverkehr.


Wir setzen uns emotional so sehr unter Druck oder grübeln über Dinge, die längst vergangen sind. Denken meist über Dinge nach, die wir ohnehin nicht ändern können. Und in uns entsteht ein Orkan aus Gedanken, der uns förmlich wegbläst – manchmal sogar bis tief in die Nacht.

Wenn man sich das nun mal so vorstellt und mit dem Wissen, dass das wohl jedem von uns schon so ergangen ist, dann denkt man sich, dass dieser emotionale Stress mir in Zukunft durchaus gestohlen bleiben kann.


Aber da muss doch auch etwas Gutes daran sein, oder? Ja, und vorab: Es ist absolut nicht schlimm ein Overthinker zu sein! Das kann sogar etwas Gutes sein und es gibt überhaupt keinen Grund nicht dafür einzustehen oder sich gar zu schämen. Im Gegenteil, lerne es zu akzeptieren und versuche es positiv für dich zu nutzen. Denn hinter dieser vermeintlichen Schmach steckt vielleicht eine Eigenschaft, um die dich andere beneiden und wünschten sie hätten sie. Also starten wir mal rein, in ein paar Punkte, die dem ganzen Ausdruck neuen Glanz verleihen könnte.


- Das Offensichtlichste zuerst. Da Du soviel nachdenkst, überdenkst Du manche Taten, Handlungen und Worte nicht nur einmal, sondern eventuell auch zweimal, dreimal oder zehnmal. Selbst als permanenter Overthinker hatte ich nur zu oft den Moment, in welchem meine Zunge schneller reagierte als mein Kopf. Ich landete, weiß Gott, wie oft schon, in der Situation, in welcher ich dachte: „Was hast du denn da gerade für einen Mist von dir gegeben?“. Dass so Situationen mehr als peinlich sind, erklärt sich von selbst. Situationen, die definitiv vermeidbar gewesen wären, wenn mein, ach so oft denkender, Kopf mich da nicht hängengelassen hätte – Danke dafür.


- Overthinker sind kreativ, extrem kreativ. Diese Kreativität mündet in eine starke Vorstellungskraft und Fantasie. Wunderbar, wenn man in der Lage ist, sich gewisse Bilder bereits vorab vorzustellen und diese in aller Schönheit und Pracht in seinen Gedanken abspielen kann. Denke nicht an das, was schieflaufen könnte oder was schiefgelaufen ist, sondern denke an das Schöne, dass sich ergeben kann und wird! Und denke gerne oft daran. Overthinking heißt nicht gleich Angst und Panik zu haben. Versuche Deine Gedanken positiv zu steuern, auf dass sie Dir eine Hilfe statt einer Last sind. Die Balance ist das Entscheidende!


- Als Overthinker bist Du häufig detailorientiert und hast ein stärkeres Bewusstsein für Mitmenschen und Dinge. Du entwickelst eine gewisse Achtsamkeit und bist in der Lage diese auf Deine Umwelt zu übertragen, sodass Du auch mal Gefallen am einfachen Wehen der Blätter im Wind oder am Zwitschern der Vögel am Morgen empfindest. Entwickle Dankbarkeit und nimm so jeden Moment in all seiner Pracht wahr.


- Einfühlsam. Overthinker sind sehr einfühlsam und empathisch. Verständlich. Sie verbringen Unmengen an Gedanken damit, nicht nur ihr eigenes Wohl, sondern auch das der Mitmenschen durch ihren Kopf schweifen zu lassen. Du bist der Freund, den man gerne fragt, wenn man eine Schulter zum Anlehnen braucht. Du bist ein guter Zuhörer und findest immer wieder einen Rat, den dein Gegenüber (hoffentlich) zu schätzen weiß.


- Natürlich machst Du dir auch zahlreiche Gedanken über dein Haustier, dass zu Hause sehnsüchtig auf Dich, aber auch auf das nächste Mahl, wartet. Dein Overthinking veranlasst Dich nie aus dem Haus zu gehen, ohne zu wissen, dass dein Tier ausgiebig mit Liebe und Nahrung versorgt ist.


- Vorbereitung ist das A und O für viele. Und teilweise ist das auch berechtigt. Jemand der so viel nachdenkt, muss doch auch irgendwie stets vorbereitet sein. Und ein Overthinker legt oft großen Wert auf eine gute Vorbereitung und Planung. Aber denke daran, manche Sachen im Leben sind nicht(!) planbar und auch der Overthinker macht Fehler ohne Ende. Aber Du darsft, nein, Du musst Fehler machen! Vergiss das Streben nach Perfektion. Es gibt keine Perfektion. Gestehe Dir also Fehler ein und sei selbstkritisch mit Dir.


- Und als Overthinker hat man einen starken Drang zur Selbstkritik – häufig zu stark. Du suchst Fehler oft bei Dir selbst und es kommt gar nicht in Frage, dass Du Leute direkt anpöbelst ohne Dich vorher hinterfragt zu haben. Du hast eine gewisse Selbstreflexion, die anderen fehlt und kannst Probleme schnell bei Dir selbst feststellen und idealerweise auch lösen.


- Du kommst nie zu spät zum Termin oder zur Arbeit. Als Overthinker machst Du Dir zu viele Gedanken, was Freunde, Chef oder Mitarbeiter über Dich denken könnten, wenn Du negativ auffällst. Du gerätst dadurch leider oft in die „Everybody’s Fool“ Schiene, so dass manch einer deine Gutmütigkeit ausnutzen mag. Doch Dein Denken wird später mal zur Verantwortung und dies überträgst Du auf Andere. Du bringst eine gewisse Sorgfalt mit, die andere zu schätzen wissen. Und eine gewisse Harmonie in Deiner Gruppe ist Dir sehr wichtig.


„Die schöne Ader des Denkens erkennen“


Das alles waren jetzt nur ein paar Punkte. Und keiner ist pauschal ein Overthinker oder nicht-Overthinker, nur weil er sich in einigen von diesen Mustern wiederfindet bzw. nicht wiederfindet. Und es ist klar, dass das Overthinking so seine Tücken mit sich bringt. Schließlich muss so eine Überflutung an Informationen und Gedanken auch verarbeitet werden. Und das kann, vor allem emotional, ganz schön stressen. Aber wenn wir die schöne Ader des "zu vielen Denkens" erkennen und diese auch positiv für uns und unser Umfeld nutzen können, dann bin ich überzeugt, dass das Ganze mehr ist als nur ein paar Gedanken. Das Ganze ist ein Geschenk und wir müssen lernen es zu gebrauchen!


Weil manchmal stresst dich das Overthinking, aber manchmal rettet es Dir auch ganz schön den Arsch!

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